Wie konntet Ihr nur? – Abrechnung mit einer Generation

Bild: Dieter Schütz  / pixelio.de
Bild: Dieter Schütz / pixelio.de

(AK) Wir müssen Verantwortung für unser Handeln übernehmen. Das zeichnet den mündigen Bürger und aufgeklärten Menschen aus. Doch wer wird beurteilen, ob wir den Aufgaben gerecht geworden sind, die uns im Laufe eines Lebens gestellt werden? Zeitgenossen, Freunde und Familie sind die ersten Gradmesser in der Gegenwart, die unser Handeln reflektieren, bewerten und gegebenenfalls korrigieren. Doch lauert das wirklich bedeutsamste und unbeugsamste Urteil in der Zukunft. An dem, was wir vererben, werden unsere Taten gemessen. Die Bewertung wird generationsübergreifend erfolgen, streng und ohne Ansicht einzelner Personen, Erklärungen, Abschwächungen, Entschuldigungen oder Ausflüchte. Wie werden wir abschneiden in der Betrachtung, was wir für die Zustände für Leben und Gesellschaft eingebracht haben? Können wir einen Freispruch erwarten? Oder müssen wir auf nicht schuldig plädieren, obwohl wir um manche Wurzel des Üblen wissen, die wir nicht konsequent zu verhindern versucht haben? Und die im zukünftigen Gericht das Urteil maßgeblich beeinflusst.

Zweifel auf vergangenen Etappen

Erste Anzeichen, wie ein Tribunal der zukünftigen Generationen ausfallen könnte, werden bereits in den 1960er-Jahren sichtbar. Zuerst Studenten und zunehmend auch andere Bevölkerungsschichten beginnen die Kriegsgeneration zu fragen. Ist ein staatlich verordneter Massenmord nicht zu erkennen? Wie ist es möglich, dass Nachbarn, Kollegen, Freunde und Familien nach dem totalen Krieg dürsten und das lauthals kundtun? Gibt es nicht den Punkt, den Moment, an dem deutlich wird, wie viel Unrecht geschieht und nur noch die pure Angst regiert? Ist alltägliches Denunzieren, Vorverurteilen und Willkür walten lassen nicht so offensichtlich, das sich die Mehrheit dem verweigert? Das Urteil Ende der 196oer-Jahre fällt nicht gut aus.
Eine weitere Etappe des Aufrechnens, des Beurteilens und des Unverständnisses beginnt nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. Im Westteil des Landes aufgewachsene Menschen formulieren ihre Vorbehalte über das Verhalten der ehemaligen DDR-Bürger. Wie kann es glaubhaft sein, das des Menschen Streben nach Erfolg und Expansion mit sozialistischen Parolen zum Schweigen gebracht wird? Warum kann Gängelung und Denunziation so reibungslos funktionieren, wo sie doch keiner haben will? Welcher offiziellen Verlautbarung in TV oder Zeitung ist zu glauben, wo doch die tägliche Realität das Gegenteil beweist? Nicht viel anders werden die Fragen lauten, die wir zu beantworten haben werden.

Zeichen der Zeit

Anders als in früheren Etappen wird die Ausflucht, wir wissen doch von nichts, noch weniger wiegen. Harte und präzise Fragen führen uns vor Augen, dass wir viel wissen können und müssen – wenn wir danach suchen. Aus diesem Wissen wird unser Handeln entspringen, das dem Urteil der Kinder, Enkel und Urenkel ausgesetzt sein wird.

Wie ist eine Krise, die aus der Krise folgt, die bereits kritisch begonnen hat, noch zu verantworten? Warum sind Geldsysteme unterstützenswerter als die Menschen, die es füttern? Was tut der Einzelne, wenn er der ewigen Wachstumsspirale folgt und noch ein Super-Duper-Handy, noch ein Duftwässerchen und noch einen sinnfreien Wochenendflug braucht? Wird er glücklicher, wenigstens zufriedener und lebt gesünder? Und warum wird Trinkwasser an den Grenzen aufgehalten? Weil Piloten damit ersäuft werden können? Wie glaubwürdig sind Staatsmänner und -frauen, die solcherlei Regeln erfinden und sie als dem Volke dienlich anpreisen?

Und wenn unsere Kinder und Enkel Dokumentationen aus unserer Zeit begutachten werden, welche Fragen werden ihnen erst bei den Bildern des viel zitierten Terrors, der Kriege und der multinationalen Massenverbrechen einfallen? Wie kann der Terroranschlag vom 9. September so viele Ungereimtheiten enthalten und derart läppisch erklärt werden? Warum schreit keiner auf, wenn angeblich an jeder Ecke und auf jedem Bahnsteig der Terror regiert, wo es sich aber tatsächlich um verblendete Schwerkriminelle und Verbrecher handelt? Wenn Medien jeden Unfall auf die Terrorgefahr hin abklopfen und fast keine Veröffentlichung mehr ohne dieses Wort auskommt? Wie glaubhaft sind saubere Kriege, die begründet auf einer Lüge beginnen, Menschen in jahrelanges Chaos und Leid stürzen und im TV grünlich eingefärbten Computerspielen ähneln? Wer glaubt die Mär vom toten Terrorchef, vom bösen Whistleblower und den guten Scheichs, auch wenn es in der Zeitung steht? Das werden wir zu erklären haben.

Leblose Lebensgrundlagen

Im Tribunal der Zukunft werden die Fragen nicht aufhören. Was ist mit Millionen Menschen, die verhungert sind, während andere an Übergewicht sterben? Wieso werden tausende Tonnen Lebensmittel vernichtet, ins Meer geschüttet und verseucht? Warum müsst Ihr jeden Tag Fleisch auf dem Tisch haben und exotische Früchte, die um die ganze Welt gereist sind? Weshalb beutet Ihr die Natur aus, als ob es kein Morgen gibt. Regenwälder sind unwiederbringlich gerodet und erhalten nicht mehr den für uns in der Zukunft überlebenswichtigen Sauerstoff, ganz abgesehen von den Tieren und Pflanzen, die nach Jahrmillionen aussterben. Flüsse sind begradigt und vergiftet – haltet Ihr es für die bequemste Art, Euren Wachstum am Leben zu erhalten? Jede schöne Landschaft habt Ihr zugebaut mit gigantischen Gebäuden von der Bettenburg bis zur Skyline aus Glas- und Stahl. Die Fragen werden unglücklicher, hoffnungsloser und nähren den Verdacht, dass es zu spät ist. Wir versprechen unseren Kindern und Enkeln eine Zukunft, nur wie die aussehen wird, sagen wir nicht. Vielleicht ist es das schlechte Gewissen?

Jeder soll seinen Preis selbst bestimmen können

Wir leben in einer so genannten Informationsgesellschaft. Nie zuvor hat die Menschheit, und damit ist jeder Einzelne in dem technologisch entwickelten Teil der Welt gemeint, größere Chancen gehabt, Zusammenhänge zu erforschen. Wie kann bei der Unmenge an Information, die ein Internet nur wenige Klicks entfernt bereitstellt, das eigene Verstehen und Handeln zu einem derart verantwortungslosem Ergebnis führen? Bequemlichkeit ist ein Tatbestand, dem wir uns stellen werden müssen. Und wir können uns schwerlich herausreden mit dem Argument, was hätten wir denn machen können? Stattdessen müssen wir uns an die vielen Male erinnern, als uns die wunderbare Welt des Konsums im Fernsehapparat beruhigt hat. Wir haben beschlossen, dass wir den Preis, den wir für unser Handeln zahlen müssen, selbst bestimmen wollen. Dabei haben wir übersehen, dass wir unseren Kindern und Kindeskindern damit diese Chance für immer genommen haben. Keine Entschuldigung möglich, Freispruch abgelehnt.

WIE KONNTEN WIR NUR?

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