Der ICE wird 25: Deutsche Bahn wirbt zur EM mit schwulem Fußballer

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Angesichts der bevorstehenden Europameisterschaft hat die Deutsche Bahn einen ganz besonderen Fahrgast in den Mittelpunkt ihres Online-Werbespots “Der Fan” gestellt. Der eigentliche Anlass, nämlich das 25-jährige Jubiläum des Schnellzugs ICE, wird darin nur am Rande gestreift. Und doch zeigt die Kampagne Wirkung: In sozialen Netzwerken wie Youtube, Facebook und Twitter wird der 100-Sekunden-Clip über einen Fußballer und seinen wohl größten Anhänger seit kurzem gezeigt und unter dem Hashtag #ICE25 bereits heftig diskutiert.

 

Aus dem Leben gegriffen

Im Film ist ein junger Mann in verschiedenen Situationen bei sich zuhause, im ICE und auch im Stadion zu sehen. All diese Szenen zeigen, dass er von einem bestimmten Fußballer ganz besonders begeistert ist. Er jubelt, wenn dieser ein Tor schießt, fährt mit der Bahn zu jedem seiner Spiele und bangt im Stadion mit, wenn sein Idol auf dem Spielfeld verletzt wird. Sogar ein gerahmtes Foto, das ihn gemeinsam mit dem Sportler zeigt, hat er aufgestellt. Als er wieder einmal von einem Spiel zurückkommt, erwartet ihn der Fußballer bereits auf dem Bahnsteig. Die Männer umarmen sich lange und herzlich – und gehen schließlich Hand in Hand davon…

Obwohl Regisseur Matt Smukler nicht bis zum Letzten gegangen ist – ein Kuss zwischen den beiden Liebenden also nicht stattfindet – schlägt sich die Deutsche Bahn mit diesem Statement anlässlich des 25. Jubiläums des ICE doch klar auf die Seite einer offenen, vielfältigen Gesellschaft. Der beabsichtigte, dabei aber zugleich liebevoll inszenierte Tabubruch soll dem Zuschauer zeigen, dass die Bahn eben mehr verbindet als bloß A und B: Menschen. Die Botschaft des von Simon Glödes leiser Ballade “Follow You” musikalisch adäquat untermalten Clips lautet: Alle sind an Bord willkommen, ob reich oder arm, Manager oder Arbeitsloser, schwarz oder weiß, religiös oder nicht – und eben homosexuell oder hetero. Die Kundschaft der Bahn ist ebenso bunt gemischt wie unsere gesamte Gesellschaft.

Der Intercity-Express zelebriert seinen 25. Geburtstag

Seit dem Start des planmäßigen Verkehrs der ursprünglich 25 weißen Züge im Juni 1991 hat sich der ICE trotz Pannen zur europäischen Erfolgsstory gemausert. Bereits im Folgejahr begann seine Internationalisierung mit der Aufnahme von Fahrten in die Schweiz. Der Auslandsverkehr wurde in den Jahren danach durch die Zusammenarbeit mit weiteren Nachbarstaaten kontinuierlich ausgebaut.

Inzwischen fährt der ICE auch bedeutende Großstädte in folgenden Ländern an:

  • Österreich
  • Niederlande
  • Belgien
  • Dänemark
  • Frankreich

In die mittlerweile drei Bauserien – die vierte geht voraussichtlich im Herbst 2016 in den Probebetrieb – flossen immer wieder technische Weiterentwicklungen ein. Ereignisse wie das tragische Unglück bei Eschede oder der Radsatzwellenbruch bei einem ICE 3 in Köln überschatten die Geschichte des Hochgeschwindigkeitszugs und sorgen zum Teil bis heute durch eine im Anschluss erhöhte Prüffrequenz für Engpässe im ICE-Fuhrpark. Auch defekte Klimaanlagen, die die Fahrgäste des Fernverkehrs-Flaggschiffs bei hochsommerlichen Temperaturen ins Schwitzen brachten, machten Schlagzeilen. Alles in allem jedoch blieb die hohe Nachfrage durch die Bahnpassagiere weitestgehend ungebrochen.

Fahrten mit dem bis zu 330 km/h schnellen Intercity-Express ersetzen inzwischen zahlreiche Flüge im Inland und nahen europäischen Ausland. Der ICE fährt heute nach Konzernangaben rund 10 Prozent des Gesamtumsatzes der Deutschen Bahn ein. Grund genug, den “weißen Blitz” und sein 25-jähriges Jubiläum standesgemäß zu feiern.

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Tabu-Thema Homosexualität im Fußball

Als sich Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger im Januar 2014 offiziell outete, schlug die Nachricht sogar in der Presse unserer Nachbarländer hohe Wellen. Dabei gehen diverse Statistiken davon aus, dass zwischen 0,5 und 2,5 Prozent aller Männer homosexuell sind. Die Zahlen schwanken, da Befragungen je nach gesellschaftlicher Prägung unterschiedliche Ergebnisse hervorbringen.

In jedem Fall gilt es unter Experten als sehr wahrscheinlich, dass Hitzlsperger nicht der einzige schwule Spieler ist. Allein Marcus Urban, der bereits 1994 als erster deutscher Profi sein öffentliches Coming-Out beschlossen hatte, weiß nach eigenen Angaben aktuell von 25 Betroffenen. Unter den Mannschaftssportarten fällt besonders der Herrenfußball immer wieder durch die bei Zuschauern, Teamkollegen und auch Funktionären weitverbreitete, unterschwellig oder offen vorgetragene Homophobie auf. Auch in internationalen Medien war das Thema während der vergangenen Jahre wiederholt vertreten.

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Das sagt die Netzgemeinde zum neuen ICE-Jubiläums-Spot

Ganz dem progressiven Marketingtrend zum sogenannten Growth Hacking folgend provoziert die für die Bahnwerbung verantwortliche Agentur BBDO gezielt mit einem Tabubruch. Die Absicht, mit der Internet-Kampagne eine möglichst hohe Reichweite zu erlangen, dürfen die erst kürzlich berufenen Kreativen wohl schon jetzt als erfüllt abhaken: Bereits einen Tag nach seiner Online-Stellung konnte der Film allein auf der Videoplattform Youtube rund eine halbe Million Aufrufe für sich verbuchen.

In sämtlichen sozialen Medien sprechen User über die Liebesgeschichte zwischen dem namenlosen Kicker und seinem Fan. Die Stimmen sind hierbei überwiegend positiv. Auch die beabsichtigte Überraschung ist der bisher vorwiegend als eher konservativ eingeschätzten Deutschen Bahn anscheinend mehr als geglückt. Der Konzern hat damit in Netzkreisen nicht nur eine erneute Diskussion über homosexuelle Fußballprofis und Schwulenfeindlichkeit im Spitzensport schlechthin losgetreten, sondern auch eine Modernisierung ihres eigenen Images angestoßen.

Bei alledem erzeugt der Aspekt, dass die beiden Darsteller sich anlässlich ihrer innigen Begrüßung nicht küssen, vielerorts Irritation und sehr gegensätzliche Meinungsäußerungen. Doch ob ein Filmkuss nun tatsächlich mehr allgemeine Akzeptanz für öffentliche Liebesbekundungen homosexueller Paare geschaffen hätte oder nicht: Die späte Schlusspointe sorgt für ein rundum gelungenes Storytelling im Sinne der Deutschen Bahn – und der offenbar wirkungsvoll unterhaltenen Zuschauer.

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